
“Jeder, der schon einmal mit Armut zu kämpfen hatte, weiß, wie extrem teuer es ist, arm zu sein”, schrieb einst James Baldwin. Für wohnunglose Menschen sind die Gebühren für einen Personalausweis daher eine hohe Hürde. Dabei öffnet der Personalausweis viele Türen. In Hamburg und Bremen hat man die Gebühren deshalb abgeschafft – das wollen wir auch für Halle erreichen.
Wer älter als 15 ist, unterliegt der Pflicht zum Besitz eines Personalausweises[1]. Zwar geht damit auch das Recht auf einen Ausweis einher, doch die ist gebührenpflichtig. Die Gebühr beträgt für Personen ab 24 Jahren 37 Euro für einen regulären und 10 Euro für einen vorläufigen Personalausweis. Diese Gebühren stellen für wohnungslose Menschen in prekären Lebenslagen eine große Hürde dar. Gleichzeitig ist der Personalausweis jedoch insbesondere für sie ein Schlüssel zu vielerlei Dienstleistungen. Ohne Personalausweis ist die Beantragung von Sozialleistungen, die Anmietung einer Wohnung, die Eröffnung eines Bankkontos oder die Teilnahme an Wahlen schwierig bis unmöglich. Kurzum: Der Besitz eines Personalausweises ist ein erster wichtiger Schritt zur Überwindung von Wohnungslosigkeit.
Um diesem Problem entgegenzutreten, startete der Hamburger Bezirk Mitte 2021 ein Pilotprojekt zur gebührenfreien Ausstellung von Personalausweisen für Menschen ohne festen Wohnsitz[2]. Nach einer ganz überwiegend positiven Bilanz wird die Maßnahme über die Pilotphase hinaus fortgeführt[3]. Dem Beispiel folgend schaffte jüngst auch Bremen die Gebühren für Menschen ohne festen Wohnsitz ab[4]. Zwar war es gemäß § 1 Abs. 6 Personalausweis- und eID-Karten-Gebührenverordnung (PAuswGebV)[5] schon zuvor möglich, bei Bedürftigen von der Erhebung der Gebühr abzusehen, doch diese Regelung kennt kaum jemand. Zudem macht sie die Betroffenen abhängig von der lokalen oder gar individuellen Praxis der bearbeitenden Stelle.
In Halle gibt es zum Glück vergleichsweise wenige Menschen ohne festen Wohnsitz. Deswegen ist davon auszugehen, dass der Verzicht auf die Gebühr zur Ausstellung eines Personalausweises nur zu sehr geringen Mindereinnahmen führen würde. Gleichzeitig wäre eine solche Maßnahme von großem Nutzen für die Betroffenen. Daher sollte die Gebührenbefreiung nach unser Überzeugung schnellstmöglich auch in Halle Einzug halten.
In Anbetracht der sozialpolitischen Erfahrungen muss zudem von Anfang an auf eine hinreichende Informationspolitik geachtet werden. Eine sozialpolitische Errungenschaft, von der niemand weiß, ist nur PR. Deshalb sollte sowohl in der Beschreibung der Verwaltungsdienstleistung als auch im Rahmen der Wohnungslosenhilfe deutlich und gut sichtbar auf die Sonderregelung hingewiesen werden.
[1] § 1 Abs. 1f. Personalausweisgesetz (PAuswG); verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/pauswg/BJNR134610009.html
[2] Schönherr (27.04.2021): Raus aus dem Abseits, verfügbar unter: https://taz.de/Kostenlose-Ausweise-fuer-Obdachlose/!5766989/
[3] Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke Hamburg (17.01.2023): Kostenloser Personalausweis für bedürftige obdachlose Menschen, verfügbar unter: https://www.hamburg.de/bwfgb/16837802/kostenloser-personalausweis-fuer-beduerftige-obdachlose-menschen/
[4] Bremische Bürgerschaft (22.02.2022): Antrag der Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD – Personalausweise für Obdach- und Wohnungslose gebührenfrei ermöglichen!, Drs. 20/670 S, verfügbar unter: https://paris.bremische-buergerschaft.de/starweb/paris/servlet.starweb?path=paris/LISSHFL.web&format=LISSH_MoreDokument_Report&search=WP=20+AND+DNR=670+S+AND+DART=d
[5] verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/pauswgebv/BJNR147700010.html