Gründung eines Eigenbetriebs Kultur

Schatten von Schauspielern hinter einem weinroten, leicht transparenten Vorhang. In der linken unteren Bildecke in schwarz und weiß der Schriftzug "KulturVision: Gründung eines Eigenbetriebs Kultur"

STATUS

zurückgezogen

Wir wollen die hallesche Kulturlandschaft grundlegend weiterentwickeln, um sie zukunftsfest zu machen. Dafür haben wir mit der KulturVision ein Paket geschnürt, das keine Insellösungen schafft, sondern für eine ganzheitliche Evolution auf materieller, struktureller und inhaltlicher Ebene sorgt. In drei Beiträgen stellen wir Euch und Ihnen die einzelnen Initiativen ausführlich vor. Eine Zusammenfassung zum Gesamtkonzept ist hier zu finden. An dieser Stelle soll es um den Eigenbetrieb Kultur gehen.

Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation soll auf drei Säulen fußen: Forschung, Dialog/Begegnung und Kultur.[1] Bezüglich der dritten Säule Kultur formulierte Katrin Budde, Vorsitzende der Jury für den Standortwettbewerb für das Zukunftszentrum sowie des Bundeskulturausschusses die Zielstellung wie folgt: „Drittens wird ein Kulturzentrum entstehen, in dem mittels unterschiedlicher Kunst und Kulturformate über Transformation, alte und neue Herausforderungen eine gesellschaftliche Debatte geführt wird und bestenfalls Ideen und Lösungen für die Herausforderungen der heutigen Zeit gefunden werden.“[2] Es ist davon auszugehen, dass die Stadt Halle (Saale) mit der Inbetriebnahme des Zukunftszentrums ab 2028 noch mehr kulturinteressierte Besucher*innen begrüßen dürfen wird. In Vorbereitung auf diese Aufgabe sollte die Verwaltungsstruktur im Bereich Kultur mit Blick auf bestehendes Optimierungs- und Innovationspotenzial auf den Prüfstand gestellt werden.

Das Modell Eigenbetrieb

Da andere Kommunen mit dem Betriebsmodell „Eigenbetrieb“ im Kulturbereich bei der Optimierung von Abläufen und der Umsetzung eines innovativen Kulturbetriebs positive Erfahrungen gemacht haben, wollen wir untersuchen lassen, ob sich dieses Modell auch für Halle eignet.[3] Der Eigenbetrieb ist eine besondere öffentlich-rechtliche Unternehmensform, die im kommunalen Kulturbetrieb keine Seltenheit ist. Der erste Betrieb seiner Art in Deutschland wurde Anfang der 1990er von Hans-Georg Küppers in Mühlheim a. d. Ruhr gegründet. Wenig später, am 01. Januar 1995, folgte die Stadt Dortmund diesem Beispiel und gründete die Kulturbetriebe Dortmund, die heute mit 460 Mitarbeitenden und einem Volumen von rund 70 Millionen Euro einen der größten Eigenbetriebe im Kulturbereich darstellen. Auch in Ostdeutschland gibt es einige Kommunen, die sich für dieses Betriebsmodell entschieden haben, so zum Beispiel Frankfurt (Oder)[4] (seit 1998) oder Jena[5] (seit 2005).

Eigenbetriebe sind als selbstständige Unternehmen organisiert, die in eigener Verantwortung mit den städtischen Zuwendungen und den erzielten Erlösen wirtschaften. Rechtlich gesehen gehören Eigenbetriebe zum Sondervermögen der Kommune, sind also 100%ige Töchter der Stadt. Ohne eigene Rechtspersönlichkeit werden Eigenbetriebe lediglich organisatorisch und finanzwirtschaftlich aus der Kernverwaltung ausgegliedert. Die Betriebsleitung führt die laufenden Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen. Der Betriebsausschuss sichert als Gremium des Stadtrates und der Vertreter der Arbeitnehmenden die politische Steuerung des Eigenbetriebes. Der Wirtschaftsplan wird jeweils vom Kulturausschuss und vom Stadtrat beschlossen. Häufig werden in Kultur-Eigenbetrieben die Einrichtungen der kulturellen Bildung unter einem Dach als ein Unternehmen geführt. In Halle würde es sich anbieten Stadtmuseum, Stadtbibliothek, Planetarium, Salinemuseum, Stadtmarketing, Stadtarchiv, Volkshochschule sowie das Konservatorium in einen gemeinsamen Eigenbetrieb auszugliedern.

Vorteile eines Eigenbetriebs

Als Motive für die Umstrukturierung des Kulturbereichs in Jena im Jahr 2005 benannte Dr. Margret Franz, Gründungswerkleiterin von JenaKultur, zum einen unabhängiger agieren zu können, zum anderen aber auch langfristiger planen sowie flexibler auf gesellschaftliche Anforderungen und neue Themen reagieren zu können.[6] Indem in Jena eine mehrjährige Zuschussvereinbarung zwischen JenaKultur und der Stadt Jena über die Leistung und die finanzielle Ausstattung geschlossen wird, kann der unternehmerische Geist der einzelnen Einrichtungen mobilisiert werden. Die Übertragbarkeit von Etats über das Haushaltsjahr hinaus ermöglicht zudem eine langfristigere Planungssicherheit. Durch ein optimiertes Management können vorhandene Ressourcen besser und langfristig wirtschaftlicher genutzt werden. Es ergeben sich Synergien durch die gemeinsame Steuerung in den Bereichen Personal, Controlling, Marketing etc. In Summe erhöht sich durch die Umwandlung in einen Eigenbetrieb die Gestaltungsfreiheit der Kulturakteure ohne gleichzeitig die Einflussnahme des Trägers signifikant einzuschränken.

Was wir fordern

Die vorgenannten Vorteile eines Eigenbetriebs gegenüber anderen Betriebsmodellen geben Anlass genug dazu, dass sich Verwaltung und Stadtrat eingehender mit der Thematik befassen. Als Grundlage dafür soll eine umfassende Analyse der aktuellen Struktur sowie eine detaillierte Gegenüberstellung der infrage kommenden Betriebsmodelle erstellt werden. Diese Darstellungen sollen im März 2024 dem Stadtrat vorgelegt  werden und dort nach unserer Überzeugung die Grundlage für einen Grundsatzbeschluss zur Gründung eines Eigenbetriebs Kultur bilden.

Diese Initiative auf dem Bürgerinfoportal der Stadt Halle (Saale) einsehen.

UPDATE

In der Diskussion in den Ausschüssen wurde deutlich, dass es derzeit keine Mehrheit für unseren Vorschlag gibt. Einige andere Fraktionen zeigten sich zwar grundsätzlich offen für das Modell, sprachen sich aber dafür aus, zunächst die Ergebnisse der Kulturentwicklungsplanung abzuwarten. Nach intensiver interner Beratung haben wir den Antrag daher im März 2024 vorerst zurückgezogen.


Bild: Solo Theater von Andrew Otto lizensiert unter CC BY-SA 2.0

[1] Katrin Budde (2022): Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation: Ein Ort der Vergangenheit und der Zukunft. Politik & Kultur, No. 10/2022, 8

[2] ebd.

[3] JenaKultur (2020): 15 Jahre JenaKultur: Gespräch zur Gründung von Reform- und Eigenbetrieben. Jonas Zipf (JenaKultur) im Gespräch mit Dr. Stefan Mühlhofer (Kulturbetriebe Dortmund) [Video]. YouTube. https://youtu.be/8-nD5pFv_Rs

[4] https://www.kultur-ffo.de/

[5] https://www.jenakultur.de/de/startseite/605322

[6] vgl. JenaKultur (2020): 15 Jahre JenaKultur: Gespräch zur Gründung von Reform- und Eigenbetrieben. Jonas Zipf im Gespräch mit Gründungswerkleiterin Dr. Margret Franz. [Video]. YouTube. https://youtu.be/7V3Jm8Cqxz8